ZeitZeugen LQ'22

Luzi Schmid nimmt uns in seine Erinnerung mit

"Es gibt Erinnerungen, die keine sind. Man kennt sie nur vom Hörensagen. Und dann gibt es viele Erinnerungen, die an Gefühle gekoppelt sind."

Mit diesen Worten eröffnete Luzi Schmid seinen ZeitZeugen-Abend. Und sofort nahm er uns mit in seine Kindheit, seine Jugend in Arosa. Und wir erfuhren mehr über die 1. Erinnerung, die für Luzi eben an Emotionen geknüpft ist. Sie sei zwar nicht wirklich schön, diese Erinnerung. Aber es habe ihm nichts getan oder gar geschadet.

Jetzt waren wir natürlich neugierig, welche Geschichte er uns erzählen wird!

Als kleiner Bub war er auf der schneebedeckten Strasse unterwegs. Und mit "schneebedeckt" meine er wirklich "schneebedeckt"! Da kam doch der Pflug, gross, wuchtig und der Pflugfahrer habe ihn schlicht nicht gesehen. Und schon wurde Klein-Luzi in ein Scheewädli gedrückt und wurde rundum mit Schnee eingepackt. Es stimmt, Glück gehabt, der Kleine!

Darauf folgen Geschichten aus Arosa, Geschichten, die im Tobel spielten, in denen er den Tobelhang (verbotenerweise) herunterrutschte bis der ganze Hang mit ihm mitrutschte. Wir sagen wieder: Glück gehabt, der Kleine!

Die Jahre 1955 - 1958 schüttelten die Familie ein wenig durcheinander. Nach dem Verlust des geliebten Heims zog die Familie nach Ilanz. Dort war der Alltag gespickt mit Markttagen, Viehmärkten und Erinnerungen an dicke Bäuche, die bis an den Boden hingen. Auch wurden die ersten drei Schulklassen nach Religion getrennt unterrichtet. Von Nonnen und normalen Lehrern. Und Luzi genoss die schulfreie Zeit, träumend, Zeit vergessend und am Rhein spielend. Der Auwald hat es ihm auch angetan und im Bächli ging er auf Krebsli-Fang. Und wenn er dann wieder in einer Höhle am Ufer verschwand, rief die Nachbarin, die das Geschehen beobachtete, das Gesehene sofort seiner Mutter zu.

Auch wurde Luzi in diesem Alter das erste Mal mit Armut konfrontiert. So stiessen er und sein Schulkollege Schneebrocken von der Brücke in den Fluss. Es machte Spass - bis sein Kollege nicht nur den Schnee, sondern auch den eigenen Schuh das Port heruntertrolen sah. Er hatte viel zu grosse Schuhe an und so rutschte dieser ganz leicht von seinen Füssen. Luzi nahm sein Gschpänli mit nach Hause und die Mutter gab ihm Socken und alte Schuhe von Luzi. Der Bub war überglücklich und diese Erinnerung in Luzi's Gedächtnis eingebrannt.

Nach den eher ländlichen und naturverbundenen Jahren in Ilanz ging's nach Landquart. Ein grosser Bahnhof, viele Geleise, wenig Natur - Luzi hatte Mühe, in seiner neuen Heimat "z'Rank kho". Aber seine Eltern hatten die Papeterie übernommen - oder viel mehr den Kiosk. Denn es gab nicht nur Schreibwaren, sondern auch Heftli, Tabak, Schallplatten ... und im hinteren Ladenteil pikante Fotos. Doch diese haben seine Eltern ganz schnell aus dem Angebot entfernt! Dafür wurde der Tabak in den höchsten Tönen gelobt! Denn der Grundwasserspiegel war immer etwas hoch, oftmals gabs auch Wasser im Keller. Diese feuchte Luft war perfekt für den Tabak! Im Keller hatte es zwar immer ein wenig gemüffelt, aber die Tabakwaren fanden regen Anklang bei den Kunden.

Der Laden warf nicht viel ab. Und Luzi fragt sich heute, wie seine Eltern damit die Familie ernähren konnte. Er weiss es nicht. Und so kam es, dass er bei seiner Tante zum ersten Mal einen Fernseher sah.

Die Schule war nicht immer einfach. Die Klassen in Ilanz hatten nicht das gleiche Niveau wie die in Landquart. Oft wurde er - heute würden wir sagen - gemobbt. Die Hefte kamen voller roter Korrekturen zurück. In der Sek dann endlich war die Plage fertig. Die Lehrer waren freundlich und die Mitschüler auch.

Im Winter 58/59 war Luzi sehr krank. Lungen-Tuberkulose wurde diagnostiziert. Der Arzt empfahl, den Jungen in die Höhe zu schicken. Eine Kur kam nicht in Frage, aber die Alp am Flüela tat es auch. Es wurde früh aufgestanden, gekrampft, das Vieh von unten nach oben und oben nach unten getrieben. Das Leben war einfach, währschaft, streng, aber Luzi kam zu Kräften und der schwächelnde Bub wurde zum kräftigen Jungen. Und so genoss er auch die Ausritte auf dem Pferd, ritt über die Krete und fühlte sich wie Winnetou.

Im Seegfröörni-Winter war Luzi im Zimmer. Die Eisschicht klebte an der Decke, weil der Raum so kalt war. Und auf einmal gab es einen Riesenknall! Der Baum vor dem Fenster wurde von der Kälte gesprengt. Das war 1963.

Die Freizeit in Landquart spielte sich unterhalb des Bahnhofs ab. Wieder in den Auenwäldern, den Erlenwäldern. Das Spiel ging so, dass die Jungen sich von Erle zu Erle "kippen" liessen, da diese Bäume so biegsam waren. Aber auch Hütten wurden gebaut, Pfeil und Bogen gebastelt, Steinschleudern geknotet und sogar eine Armbrust aus Regenschirmgerippe wurde hergestellt. In den Ausgleichsbecken des Rheins wurde Schlittschuh gefahren, Hockey gespielt oder auch mal die eine oder andere Boston-Zigarette geraucht. Aber dieses "Laster" legte sich dann später zum Glück wieder.

Die Lehre als Maschinenzeichner brachte Luzi viel Arbeitstage, wenig Ferien und einen Lohn von Fr. 60.- im Monat. Später bekam er dann eine zusätzliche Ferienwoche im Jahr, so dass es immerhin 3 Wochen Erholung gab.

Nach diesen Erzählungen zeigte Luzi Schmid den Zuschauern und Zuhörerinnen Bilder von Landquart, von den Veränderungen der Strassen, Gebäude und wusste zu jedem Bild noch kleine Anekdoten zu erzählen. Der Turnverein wurde kurz erwähnt, wie auch die Tradition, dass die Turner früher nach einem Turnfest von den anderen Dorfvereinen am Bahnhof empfangen wurde. Nach dem Fahnengruss gab es einen grossen Umzug, angeführt von der Musikgesellschaft vorbei an den Zuschauern, die den Strassenrand säumten. Das Ziel des Umzugs war die Festbühne des FC-Zelts, wo sich die Turner feiern liessen. "So wie sich Menschen verändern, verändern sich Vereine", meinte er, um die heutige Situation dieser Traditionen zu erklären. "Aber wer flexibel und pragmatisch ist, überdauert alles."

 

Wir möchten danken: Luzi Schmid an erster Stelle, der so viel Spannendes, Lustiges und Interessantes aus seinem Leben erzählt hat. Randy Jost, der wieder mit seiner Kamera dabei war und diese Geschichten für die Nachwelt festhielt. Schoggi und mehr für den Apéro und dem Technopark GR für die Beherbergung. Den "Landquarter Ländlerfründa" für die musikalischen Unterbrechungen und natürlich allen Gästen, die sich für diesen Anlass Zeit genommen haben.

 

Auf vielfachen Wunsch hat uns Luzi Schmid / Fredy König noch das am Abend verteilte Branchen-Verzeichnis als PDF zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

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